Greeter-Stadtspaziergang durch München Maxvorstadt – ein bisschen Geschichte

P1000427-Bearbeitet-2
Am Sonntag 17. Februar gab es wieder einen Greeter-Spaziergang durch München – genauer gesagt durch Maxvorstadt. Gestartet sind wir an der Ecke Ludwigstraße / Schellingstraße. Schockierend: Was in dem roten Mauerwerk wie schadhafte Ziegelsteine aussieht, sind in Wahrheit Einschlaglöcher von Granatsplittern. Noch heute sind hier die Wunden zu sehen, die der zweite Weltkrieg hinterlassen hat.

Im weiteren Verlauf führte unserer Spaziergang zu vielen Gebäuden, die schon im 2. Weltkrieg bestanden… Beispiel Ludwigstraße 2: Was heute so unschuldig als Landwirtschaftsministerium daherkommt, war früher einmal…

2013-02-17 10.23.42
… das Zentralministerium. Hitler verfügte im April 45, dass München nicht kampflos an den Feind übergeben werden dürfe. Was nur wenige wissen: Das Zentralministerium gab daher den Befehl, sämtliche Brücken in München zu sprengen (um den Vormarsch der Amerikaner nach Südbayern zu stoppen) sowie alle Elektro- und Wasserleitungen zu kappen und alle sonstige infrastrukturelle Einrichtungen zu zerstören.

P1000436Hauptmann Rupprecht Genrgroß und weitere Militärs widersetzten sich im Rahmen der „Freiheitsaktion Bayern“ dem Befehl, nahmen den Funksender Ismaning ein und verkündeten über Radio, dass die bayerischen Bürger keinen Widerstand leisten, sowie das Regime aktiv bekämpft werden solle. Der Aufstand wurde von SS-Einheiten niedergeschlagen. Gerngroß konnte fliehen, einige Mitstreiter wurden jedoch gefangengenommen und im Innenhof des Ministeriums erschossen. Nur 48 Stunden später, am 30. April 1945, war der Krieg in München zu Ende (übrigens, aufgrund dieser Freiheitsaktion bekam die „Münchner Freiheit“, der beliebte Platz im Herzen Scfhwabings, seinen Namen).

P1000442 Nächster Punkt auf der Route: Odeonsplatz mit Feldherrnhalle und dem dahinter liegenden Drückeberger-Gasserl. So menschenleer wie am Stadtspaziergangs-Sonntag dürfte die Stadt auch im April 1945 gewesen sein, kurz vor der Kapitulation. (siehe Bild links)

P1000440 Der offizielle Name des Drückeberger-Gasserls lautet Viscardigasse. Die Gasse hat traurige Berühtmheit erlangt. Denn alle Münchner, die den Hitlergruß an der Feldherrnhallen-Ostseite verweigern wollten, gingen hier entlang, um dann weiter Richtung Ludwigstraße zu gelangen – natürlich ohne an der dort aufgestellten Ehrenwache vorbeizumarschieren. Die Ehrenwache war nicht zimperlich und verhaftete jeden, der den Gruß zu Ehren der Gefallenen des Hitlerputsches 1923 verweigerte. Heute ist der Weg, den die Münchner ersatweise benutzten, mit einem golden Band im Boden gekennzeichnet. Er soll eben jenen „Schleichpfad“ darstellen.

Ein weiterer denkwürdiger Ort ist der Sitz der Bayerischen Landesbank. Und das nicht erst seit dem Skandal um die Übernahme der Hypo Alpe Adria. Zu Kriegszeiten hatte hier die Gestapo ihren Sitz.2013-02-17 11.00.112013-02-17 11.02.312013-02-17-11.02.44

2013-02-17 11.07.19Ein paar Meter ums Eck der Bayern-LB sitzt der Sparkassenverband. Auch dieses ehemalige Adelspalais hat Geschichte geschrieben. Es gehörte der Verlegerfamilie Bruckmann, die Hitler in die Münchner Gesellschaft einführte und die dann auch den Druck des Buches „Mein Kampf“ initiierte.

Insbesondere Frau Bruckmann soll eine glühende Anhängerin Hitlers und seiner Rassenideologie gewesen sein, obwohl sie selbst nicht dem „Rassenideal“ entsprach.

2013-02-17 11.16.37Nächste Station: das „Parteiviertel“. Hier lag der Führerbau, der das politische Herz der Stadt darstellte. Der „Führerbau“ beherbergt heute die Musikhochschule. Davor bzw. daneben stand das „Braune Haus“, die Parteizentrale der NSDAP. Sie wurde komplett zerstört. Derzeit wird dort ein NS-Dokumentationszentrum errichtet – 2014 soll es fertiggestellt sein. (Foto rechts)

2013-02-17 11.13.51 Noch interessanter ist jedoch die Seite gegenüber. (Foto links) Hier stand nämlich die päpstliche Nuntiatur (heute Wiese mit Bäumen), wo von 1917 bis 1925 Eugenio Pacelli (ab 1939 Papst Pius XII) wohnte. 1934 musste der apostolische Nuntius ausziehen, die päpstliche Botschaft in München wurde geschlossen. Dafür zog Rudolf Hess in das Gebäude ein.

2013-02-17 11.21.42Noch einmal ums Eck finden sich Spuren einer Tempelanlage. Hitler hatte bestimmt, dass hier die Ehrengräber der Gefallenen des Hitlerputsches von 1923 in einer Art griechischem Ehrentempel beerdigt werden sollten. Die Amerikaner sprengten diesen Tempel 1945 – die Grundfesten sieht man aber heute noch. Warum? Weil die Sprengung zu aufwendig und zu teuer gekommen wäre… Hinten links im Bild sieht man die drei Stufen des ehemaligen Tempel-Sockels.

Zum Abschluss der Tour standen wir noch vor dem Bayerischen Landesamt für Steuern (früher: Oberfinanzdirektion). Behörden erkennt man immer daran, dass am Gebäude drei Fahnen hängen: Europafahne, Deutschlandfahne, Bayrische Flagge. Und an diesem Gebäude, das sich um bayerische Steuereinnahmen kümmert, hängt auch noch einer der größten „Reichsadler“, die in der Stadt übrig geblieben sind. Makaber, oder? Das Hakenkreuz wurde zwar aus dem Lorbeerkranz herausgefräst, der Adler aber blieb. Oder ist es doch eher ein Pleitegeier?2013-02-17 11.32.21P1000443

2 Comments, RSS

Comments are closed.