In Ruhe spazieren gehen: Münchner Friedhöfe – Der Ostfriedhof

Auf den ersten Blick haben die Giesinger keinen richtigen Park in Laufweite. Ein Schlittenbergerl am St.-Quirin-Platz. Das Trainingsgelände des FC Bayern – wobei da eher andere laufen als man selbst.

Trauerhalle des OstfriedhofsEs gibt aber den Ostfriedhof mit seiner imposanten runden Aussegnungshalle und dem Krematorium. Er ist mit der Trambahn 17 (Richtung Schwanseestraße) gut erreichbar – die Haltestelle St.-Martins-Platz liegt genau vor dem Haupteingang. Dieser Friedhof im Stadtteil Obergiesing wird bis heute genutzt. Mit rund 30 Hektar und fast 35.000 Grabstätten gehört er zu den größten Friedhöfen Münchens und ist einer der vier Münchner Großfriedhöfe, die um die vorletzte Jahrhundertwende errichtet wurden, als München rasant wuchs.

OstfriedhofAn einem eisig-sonnigen Sonntag im März bin ich dort spazieren gegangen.

Die hohen Bäume waren noch winterlich kahl. Alle ordentlich aufgereiht entlang der Grabfelder. Keine verschlungenen Pfade. Kaum verwitterte Grabdenkmäler. Zu dieser Jahreszeit macht man in dem weitläufigen Gelände eher Kilometer als Pausen auf Parkbänken. Vielleicht hat sich deshalb das Gefühl, in einem Park zu wandeln, erst später eingestellt. Als ich mittendrin war und sich unvermutet hier ein grünes Rondell aufgetan hat und dort ein lauschiges Ecklein. Gelohnt hat sich der Spaziergang auf jeden Fall – wegen der spannenden und zuweilen schauerlichen Geschichte des Friedhofs.

Grab Th. Wimmer OstfriedhofSpannend, weil hier sehr gegensätzliche Personen ihre letzte Ruhestätte fanden. Der Komponist Peter Kreuder liegt zum Beispiel neben dem „Herrn des Geldes“ im Dritten Reich, Hjalmar Schacht (Reichsbankpräsident von 1933 bis 1939). Gegenüber ist Nachkriegs-Oberbürgermeister Thomas Wimmer begraben, der mit den Worten „Rama dama“ (zu Hochdeutsch: „Wir räumen auf“) zur allgemeinen Trümmerbeseitigung aufrief. Außerdem ist hier das Moshammer-Mausoleum, wo der ermordete Rudolph M. (neben seiner Mutter) beigesetzt wurde. Wer eine Gedenkminute für den schillernden Mann der Mode einlegen möchte: Das Mausoleum befindet sich auf dem Gräberfeld 60, hinter der Aussegnungshalle am St.-Martins-Platz.

Ostfriedhof 3Von dort aus geht´s weiter zum Krematorium, das recht versteckt liegt. Im Lauf der Zeit hat dieses Krematorium sehr unterschiedliche Leichen gesehen. Zum einen wurde eine unbekannte Zahl von Menschen hier eingeäschert, die im Gefängnis Stadelheim aus politischen Gründen ermordet wurden, ebenso wie die Leichen von mehreren tausend Häftlingen aus den Konzentrationslagern Dachau, Auschwitz und Buchenwald. Zum anderen wurden dort die sterblichen Überreste von 17 während des „Röhmputsches“ getöteten Nationalsozialisten verbrannt. Die Asche der 17 wurde wahllos in diverse Urnen gefüllt, um die Spuren für immer zu verwischen.

Schlussendlich fand der Nürnberger Prozess im Krematorium des Ostfriedhofs ein Ende:

Am 17. Oktober 1946 fuhren Lastwagen der US-Armee vor, beladen mit zwölf Särgen. Einige waren zur Tarnung leer. Angeblich waren in den Särgen die Leichen von zwölf in einem Krankenhaus verstorbenen US-Soldaten, welche unter der Aufsicht von Offizieren eingeäschert werden sollten. In Wirklichkeit befanden sich in den Särgen die Leichen von neun kurz zuvor in Nürnberg gehenkten NS-Hauptkriegsverbrechern, u.a. Außenminister Joachim von Ribbentrop, Herausgeber der Zeitung „Der Stürmer“ Julius Streicher und der seiner Hinrichtung durch Selbstmord zuvorgekommene Reichsmarschall Hermann Göring. Um jedem späteren Totenkult vorzubeugen, ordnete die Militärregierung an, die Asche der Toten in die Isar zu streuen.

Und so geschah es.

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